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Ältere Menschen bei der Gartenarbeit

Bauen & Wohnen

Gemeinsames Leben im Alter: Diese Genossenschaft macht’s vor

Winter 2024 - Lesezeit: 3 Minuten

Viele Menschen träumen davon, im Ruhestand selbstbestimmt mit Gleichaltrigen zu wohnen. Lesen Sie, wie eine von Schneverdinger Bürgern gegründete Genossenschaft eine ganz besondere Wohnform umsetzt. Ihre Geschichte zeigt: Der Weg ist manchmal steinig – aber machbar!


Am Anfang stand ein Traum. Vor zehn Jahren fand sich im Rahmen des Stadtmarketingprozesses in Schneverdingen eine Gruppe von Menschen zusammen, die die Idee einer Hausgemeinschaft für Senioren hatte. Und zwar für solche, die noch aktiv und nicht pflegebedürftig sind. Annette Jacob war von Anfang an dabei. „Viele Menschen stehen im Alter vor der gleichen Situation: Die Kinder sind ausgezogen und das Haus ist viel zu groß“, sagt sie. „Hinzu kommt, dass eine Immobilie ständig Arbeit macht, allein schon durch die regelmäßige Gartenpflege. Wer soll das ganze Gemüse essen, das man da anbaut?“, fragt sie augenzwinkernd. 

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Im Alter ein großes Haus allein bewirtschaften? Lieber nicht!

Sie selbst hat diese Problematik einst hautnah erlebt. Annette Jacob kommt aus einer Familie mit sieben Kindern. Der Vater war Tischler. Das Elternhaus samt der Werkstatt lag nahe des Schneverdinger Ortskerns. „Wir Kinder sind mittlerweile in ganz Deutschland verteilt, und als dann mein Vater verstarb, musste meine Mutter das Objekt großteils allein bewirtschaften. Mir war von Anfang an klar, dass ich so etwas für mich im Alter nicht wollte.“

17 Wohneinheiten mit reichlich Platz zum Leben

Das elterliche Grundstück wurde für Annette Jacob dann zum Schlüssel für die Umsetzung ihres Vorhabens. Denn genau hier errichtet sie nun mit Gleichgesinnten ihr Wohnprojekt: ein Gebäude mit 17 Wohneinheiten zu je 55 oder 75 Quadratmetern, inklusive Gruppenraum und Gästewohnung. „Das Gute ist: Wir liegen zentral im Ort, sodass kurze Strecken zum Einkaufen, zum Arzt, zum Bus und auch zu unserem Kino garantiert sind.“ Ein Name für das Projekt war schnell gefunden: Meyer’s Hof. „Ich bin eine geborene Meyer, und das hier war ja mal unser Hof“, erklärt Annette Jacob.

Grundstück des Wohnprojektes
Auf dem ehemaligen elterlichen Grundstück von Annette Jacob entsteht das besondere Wohnprojekt

Ein bisweilen steiniger Weg, der schon 2015 begann

Doch der Weg vom ersten Plan im Jahr 2015 bis zum kürzlichen Baubeginn war lang – und nicht immer ganz einfach, wie sich Annette Jacob erinnert. Auch wenn es zunächst äußerst vielversprechend startete. „Nachdem wir in unserer kleinen Gruppe erste Ideen entwickelt hatten, luden wir zu einer Infoveranstaltung ein. Da kamen 150 Leute, wir hatten also offenbar einen Nerv getroffen!“ Viele Interessenten gingen seither allerdings verloren. Manche, weil sie andere Vorstellungen von dem Projekt hatten, andere, weil die schon damals angestrebte Gründung einer Genossenschaft auch ein gewisses finanzielles Engagement verlangte. „Ohne Eigenkapital geht bei einem Bauvolumen von vier Millionen Euro natürlich nichts. Und wenn es zum Schwur kommt, dann lichten sich die Reihen.“

Annette Jacob, Initiatorin der Meyer’s Hof eG Wohnungsbaugenossenschaft

„Zur ersten Infoveranstaltung kamen 150 Leute. Offenbar haben wir da einen Nerv getroffen.“

Annette Jacob, Initiatorin der Meyer’s Hof eG Wohnungsbaugenossenschaft

Kurz vor dem Startschuss kam die Corona-Pandemie

Bis zum Abschluss des Gründungsverfahrens der Genossenschaft vergingen allein eineinhalb Jahre. Im Oktober 2020 waren die Formalitäten schließlich erledigt, inklusive Satzungserstellung, unabhängigem Gutachten und Registereintragung. Durchstarten konnte die mittlerweile aus 50 Mitgliedern bestehende Genossenschaft aber trotzdem nicht. Denn es war gerade die Corona-Hochphase. „Da war es natürlich schwierig, sich auszutauschen, um das Projekt voranzutreiben. Eine Videokonferenz mit 50 Senioren ist jedenfalls nicht ganz leicht“, so Annette Jacob.

Genossenschaften: ein Erfolgsmodell in vielen Branchen

Genossenschaften sind spezielle Unternehmensformen, bei denen die Mitglieder gemeinsam Eigentümer sind und mitbestimmen. Jedes Mitglied hat unabhängig von der Höhe des Anteils eine Stimme, was eine demokratische Entscheidungsstruktur garantiert. Genossenschaftsanteile sind meist einfach handelbar und bieten den Mitgliedern eine hohe Liquidität. Dieses Modell wird in vielen Bereichen angewendet, hier einige Beispiele:

Bankgenossenschaften: Finanzinstitute wie Volksbanken, bei denen Kunden gleichzeitig Mitglieder und Miteigentümer sind. Der Fokus liegt auf dem Nutzen der Mitglieder, nicht auf der Gewinnerzielung.

Wohnungsbaugenossenschaften: bieten ihren Mitgliedern sicheren und bezahlbaren Wohnraum an. Mitglieder profitieren von stabilen Mieten und haben Mitspracherecht bei der Verwaltung.

Molkereigenossenschaften: Landwirte schließen sich zusammen, um Milch und andere Produkte gemeinsam zu vermarkten. Dies fördert die Marktstellung der Produzenten und sichert faire Preise.

Zinsschock führte um ein Haar zum Projektende

Als es dann 2022 endlich losgehen sollte, sorgten die stark gestiegenen Bauzinsen und gestrichene Förderprogramme der KfW für neue Hürden. „Im Dezember 2023 waren wir sogar so weit, unseren Traum zu begraben. Wir hatten schon eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen.“ Doch dann verbesserten sich – wie aus dem Nichts – plötzlich die Konditionen des angestrebten Förderprogramms. „Daraufhin sind wir sofort zu unserer Beraterin bei der Volksbank gegangen und haben mit ihrer Hilfe die Finanzierung in trockene Tücher gebracht.“

Traditionelle Bauweise mit Holz, Lehm und Stroh

Dass es am Ende doch noch eine Förderung gab, lag auch an der besonderen Bauweise des Hauses. „Wir errichten ein sogenanntes Strohhaus. Das heißt, dass ein Holzständerwerk mit Stroh ausgekleidet und abschließend mit Lehm verputzt wird“, erklärt Annette Jacob. Eine Konstruktionsart, die heute ungewöhnlich klingt, früher aber ganz normal war. „Neben der Nachhaltigkeit hat das auch den Vorteil, dass das Raumklima sehr angenehm ist. Wir sagen dazu immer, dass es in unserem Haus weiche Luft geben wird“, erzählt Annette Jacob schmunzelnd. Ein begrüntes Dach mit Photovoltaikanlage unterstreicht den ökologischen Anspruch der Genossenschafter.

Bauzeichnung
Ziemlich modern für ein „Strohhaus“ – so wird das neue Gebäude nach seiner Fertigstellung aussehen

Ende 2025 kann endlich eingezogen werden

Bis zum Einzug dauert es nun noch ein wenig. Ende 2025 soll das Gebäude fertig sein. Doch Annette Jacob nimmt es gelassen: „Natürlich hatten wir 2015 gedacht, dass alles ein bisschen schneller gehen würde. Aber gut Ding will eben Weile haben.“

„Der lange Atem der Gruppe hat mich beeindruckt“

Sheila Christoph, die Meyer’s Hof seitens der Volksbank Lüneburger Heide eG (VBLH) begleitet, hat die Höhen und Tiefen des Projekts hautnah miterlebt. „Wir haben da immer wohlwollend draufgeschaut, weil wir ja ebenfalls eine Genossenschaft sind und weil hier Firmen aus der Region ein Gebäude aus nachhaltigen Baustoffen errichten“, sagt sie. Was sie beeindruckt hat? „Der lange Atem der Gruppe. Sie haben wirklich so lange durchgehalten, bis der richtige Augenblick gekommen ist!“

Sheila Christoph, Mittelstandsbetreuerin bei der Volksbank Lüneburger Heide eG

„In einer alternden Gesellschaft sind Projekte wie die Meyer’s Hof Wohnungsbaugenossenschaft zukunftsträchtig.“

Sheila Christoph, Mittelstandsbetreuerin bei der Volksbank Lüneburger Heide eG

Die gute Sache steht im Vordergrund – nicht der Profit!

Das Thema „Gemeinsames Wohnen im Alter“ hält Sheila Christoph für äußerst zukunftsträchtig. „Schließlich altert unsere Gesellschaft zunehmend.“ Aber: Wäre es für die Gruppe nicht leichter gewesen, statt einer Genossenschaft einfach eine GmbH zu gründen? Die Mittelstandsbetreuerin winkt ab: „Eine Genossenschaft hat nicht nur bezüglich der Weitergabe von Anteilen deutliche Vorteile, sondern ist gleichzeitig auch eine Wertegemeinschaft. Bei Meyer’s Hof geht es schließlich nicht um den Profit – hier steht die gute Sache im Vordergrund!“

Mehr zum Thema Mitgliedschaft

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