Autark und stark

Frühling 2024 - Lesezeit: 4 Minuten

Dirk Neven ist ein Landwirt, der nicht dem gängigen Klischee entspricht. Auf seinem Hof in Pattensen hat er viel investiert, um eine perfekte Kreislaufwirtschaft zu errichten. Das Ziel: viel Energie erzeugen – und das maximal effizient.

Dirk Neven

Hühner? Schweine? Milchkühe? All das sucht man auf dem Hof von Landwirt Dirk Neven in Pattensen vergebens. Stattdessen sieht man Solarzellen, drei haushohe Tanks mit spitzen grünen Dächern und mehrere Mais-Silage-Berge. Letztere erinnern auf den ersten Blick fast ein wenig an die deutsche Ostseesteilküste – wegen ihrer gelblichen Farbe, aber auch wegen der scharfen Abrisskante, die der Radlader in einem der Hügel hinterlassen hat.

Während der Finanzkrise dachte er um

Die riesigen Silage-Hügel dienen wie auch alle anderen Einrichtungen des Hofs direkt oder indirekt der Energieerzeugung. Diesen unkonventionellen Weg beschreitet Landwirt Dirk Neven bereits seit 2008. „Während der Finanzkrise haben die Agrarpreise an den Weltmärkten verrücktgespielt. Da wurde mir klar, dass das klassische Geschäftsmodell von uns Bauern immer mehr unter Druck gerät und ich mir überlegen muss, wie ich mich zukunftssicher aufstelle“, erklärt er bei einem Rundgang über seinen Hof.

„Als mir klar wurde, dass das klassische Geschäftsmodell von Bauern immer mehr unter Druck gerät, habe ich mich zukunftssicher aufgestellt.“

Dirk Neven

Dirk Neven ist ein Bauer, der nicht dem gängigen Klischee eines Landwirts entspricht.

Dirk Neven

Dirk Neven ist ein Bauer, der nicht dem gängigen Klischee eines Landwirts entspricht.

 

„Als mir klar wurde, dass das klassische Geschäftsmodell von Bauern immer mehr unter Druck gerät, habe ich mich zukunftssicher aufgestellt.“

Eigentlich ist es nur ein großer Kochtopf …

2011 setzte er den ersten Schritt und errichtete eine Biogasanlage. „Das ist im Grunde genommen wie ein großer Kochtopf, in dem Methan erzeugende Bakterien leben. Ich füge Nahrung für sie hinzu, erwärme alles und rühre gut um. Dann fressen die Bakterien sich satt und scheiden anschließend das Gas aus“, beschreibt Neven das Innenleben der drei großen, grünen Tanks.

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Dank der Abwärme haben die Bakterien immer ihre Wohlfühltemperatur

Das gewonnene Methan wird anschließend in mehrere Blockheizkraftwerke geleitet. Diese verbrennen das Gas und erzeugen auf diese Weise Strom, den Neven ins öffentliche Netz einspeist. Doch das ist noch nicht alles. Denn die Abwärme nutzt der Landwirt zum einen, um seine Biogasanlage auf die Bakterien-Wohlfühltemperatur von 40 Grad zu bringen, und zum anderen, um sie an Pattensener Haushalte als Heizwärme zu verkaufen. „Normalerweise würden bei der reinen Stromerzeugung nur 42 Prozent des zugeführten Gases umgewandelt werden. Dank der Kraft-Wärme-Kopplung kommen wir aber auf einen Wirkungsgrad von 87 Prozent“, erläutert er. Um die Wärme möglichst nahe bei den Abnehmern zu erzeugen, hat er eines seiner Blockheizkraftwerke im Zentrum des Orts errichtet. Das Methan aus der Biogasanlage wird über eine eigens verlegte Mikroleitung vom am Ortsrand gelegenen Hof dorthin transportiert.

Dirk Neven
Dirk Neven
Dirk Neven

Auch Gülle und Mist gehören zum Energiemix der Zukunft

Das Futter für die methangaserzeugenden Bakterien stammt übrigens zum größten Teil von Nevens Hof. „Neben der Mais-Silage nutzen wir auch Grasschnitt, Zuckerrüben und Zwischenfrüchte“, erklärt der 54-Jährige. Und dann ist da ja noch die Hauptzutat: „40 Prozent des Füllvolumens der Anlage bestehen aus Gülle und Mist“, sagt der Landwirt. Denn völlig tierfrei ist Dirk Nevens Hof dann doch nicht. „2017 haben wir hier einen großen Jungbullenstall nach Tierwohlkriterien errichtet“, erzählt er. Der Nebeneffekt: Er kann nicht nur den Mist für die Gaserzeugung nutzen, sondern verdient obendrein auch noch Geld mit der Fleischproduktion.

Mit dem Holzgaskraftwerk die Autarkie verwirklicht

Zuletzt baute der Pattensener dann eine Fotovoltaikanlage und ein Holzgas-Blockheizkraftwerk – und treibt den Effizienzgedanken damit auf die Spitze. „In dem Holzgas-Blockheizkraftwerk erhitze ich Holz zunächst auf einige Hundert Grad, damit sich die Festbestandteile in Gas umwandeln. Dieses speist dann einen Verbrennungsmotor, der zusätzlichen Strom erzeugt, den ich für meinen Eigenbedarf nutze.“

Herausforderungen der Landwirtschaft

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„Holz ist besser als jeder Batteriespeicher“

Dieses Kraftwerk fahre er immer dann hoch, wenn die Solarenergie oder andere Quellen nicht genügend Strom lieferten. „Ich wollte ja eigentlich zuerst eine zusätzliche Fotovoltaikanlage bauen und mit einem containergroßen Batteriespeicher koppeln“, sagt er. „Aber dann habe ich noch mal nachgedacht und gemerkt: Eine Batterie bringt mich vielleicht durch die Nacht, aber diese Anlage hier bringt mich durch den ganzen Winter.“ Auf diese Weise hat Neven eines seiner größten Ziele erreicht: „Ich bin mittlerweile rund um die Uhr energieautark.“

Silo
Silo
Kühe

Wenn aus Weihnachtsmarktresten Strom gemacht wird

Die benötigten Hackschnitzel für die Holzgasanlage kauft Neven übrigens von umliegenden Forstbetrieben – oder bisweilen auch von Weihnachtsmarktbetreibern, die das Naturmaterial zuvor als Bodenbelag genutzt hatten. „Hier kommt nichts weg“, sagt Neven schmunzelnd und weist dabei auf einen großen Berg der adventlichen Überbleibsel. Nachhaltiger geht es kaum. Zumal er die entstehende Wärme nicht einfach in die Luft bläst, sondern mit ihr mehrere Trocknungskammern betreibt, die er entweder selbst nutzt oder gegen Gebühr vermietet. 

Genug Wärme für Tausende Haushalte

Die Energiemengen, die Neven mittlerweile auf seinem Hof erzeugt, sind beachtlich: 6,5 Mio. Kilowattstunden Strom und sogar 6,8 Mio. Kilowattstunden an thermischer Energie stellt er in Pattensen her. Genug, um Tausende Haushalte damit zu versorgen. Die Investitionen für den von ihm vorangetriebenen Strukturwandel belaufen sich mittlerweile auf eine Millionensumme. „Das alles hat aber nur deswegen so gut geklappt, weil ich die Volksbank Lüneburger Heide an meiner Seite hatte“, betont Neven. Denn die Berater sind nicht nur den – damals noch recht unkonventionellen – Weg mit ihm mitgegangen, sondern haben ihn auch immer wieder dazu ermutigt, groß zu denken. „Das war auch genau richtig, denn nur so kann ich die Anlage wirtschaftlich betreiben. Ich erlebe jeden Tag, wie sehr sich die Partnerschaft für mich lohnt.“

„Herr Neven hat ein Gespür dafür, mit den Leuten, die man für so eine Aufgabe braucht, im richtigen Ton zu reden.“

Nils Peters

Nils Peters, Leiter der Landwirtschaftsabteilung bei der VBLH

Nils Peters

Nils Peters, Leiter der Landwirtschaftsabteilung bei der VBLH

 

„Herr Neven hat ein Gespür dafür, mit den Leuten, die man für so eine Aufgabe braucht, im richtigen Ton zu reden.“

„Herr Neven ist ein echter Pionier!“

Ähnlich sieht das Nevens Berater Nils Peters, der bei der Volksbank Lüneburger Heide eG (VBLH) die Abteilung Landwirtschaft leitet: „Herr Neven hat das Thema Energieerzeugung nicht nur frühzeitig erkannt und mustergültig umgesetzt – er hat auch ein Gespür dafür, mit den Leuten, die man für so eine Aufgabe braucht, im richtigen Ton zu reden.“ Der Banker ist neben seinem Job in der Bank auch an einem landwirtschaftlichen Betrieb beteiligt. „Meine Abteilungskollegen und ich haben hier alle diesen gewissen Stallgeruch, der es uns ermöglicht, die Anliegen der Landwirte zu verstehen und nicht nur auf der Basis von Excel-Tabellen zu entscheiden.“ Das Ergebnis des intensiven Zuhörens sind Erfolgsgeschichten wie die von Dirk Neven. „Wer mit Mut, Fleiß und Weitsicht auf den richtigen Partner trifft, der kann Großes schaffen“, so Peters.

Der nächste Schritt? Ein Windrad!

Gut möglich übrigens, dass Dirk Neven bald schon wieder mit seinem Berater ins Gespräch geht. Denn er heckt bereits die nächste Idee aus: „Ich überlege gerade, ob ein Windrad eine sinnvolle Ergänzung wäre. Das kostet zwar eine ordentliche Stange Geld, aber dafür erzeugt es riesige Strommengen – und muss anders als die Bakterien nicht ständig gefüttert werden!“

Für den landwirtschaftlichen Mittelstand vor Ort

Landwirtschaft und die Volksbank Lüneburger Heide? Das gehört zusammen! Für Landwirte haben wir sogar eine eigene Abteilung. Alle Mitarbeiter hier haben den richtigen Stallgeruch – sei es, weil sie nebenberuflich selbst als Landwirt tätig sind oder weil sie in ihrem vorherigen Berufsleben einen engen Bezug zur Agrarproduktion hatten. Wir freuen uns, mit Ihnen gemeinsam in die Zukunft zu starten. Sprechen Sie uns an!